MEDYALARARASI AKTARIMLAR VE DÖNEMLER ARASI GEÇİŞKENLİKLER: GOOETHE'NIN FAUST ESERİ İLE BUSHİDO'NUN MEPHİSTO'SU

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Year-Number: 2021-Year: 14 - Number: 84
Yayımlanma Tarihi: 2021-03-24 00:33:45.0
Language : Diğer
Konu : Alman Dili ve Edebiyatı, Batı Diller ve Edebiyatları
Number of pages: 163-177
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Abstract

Edebiyat bilimi kapsamındaki bu çalışmada medyalararasılık kavramı metinlerarasılık yönteminin bakış açısıyla iki farklı sanatsal alan olan edebiyat ve müzik içerisindeki metinler arası ilişkiyi ortaya çıkarmak üzere kullanılmaktadır. Araştırmanın başat amacı edebiyat ve müzik alanlarında ardıl zamanlı olarak yazılmış sanatsal metinlerin medyalar üstü ve zaman aşırı bir biçimde karşılıklı etkileşimliliğini göstermektir. Bu çerçevede yalnızca Alman edebiyatında değil, dünya edebiyatında da klasikler arasında yerini alan bir klasik dönem yazarı olan Goethe ile çağdaş ve yaygın bir müzik türü olan Rap alanında sanatını icra eden Bushido adlı sanatçının eserlerinin metin odaklı bir incelemesi yapılmaktadır. Bununla beraber çalışmada medya bilimleri kökenli medyalararasılık kavramının, 21. yüzyılda araştırma nesnesini yeniden tanımlamakla karşı karşıya olan edebiyat bilim için de yeni söylemler kattığı ortaya konmaktadır. Özellikle edebiyat ile müzik alanlarında üretilen estetik metinlerde nasıl bir medyalar arası ilişki bulunmakta olduğu ve bu iki alanın günümüzdeki sınırlarının nasıl ve ne ölçüde birbiriyle karıştığı gibi sorulara yanıt aranmaktadır. Bununla beraber metinselliğin dönüşen medyalar içerisinde erimesinin nelere yol açtığı ve bu dönüşümün ortaya çıkardığı metinlerin nasıl sınıflandırılacağı da incelenen yönler arasındadır.

Çalışmada incelenen eserler; Alman yazar Goethe’nin en önemli eseri sayılan 19. yüzyılda yazılmış „Faust“ adlı draması ile Bushido adlı müzisyenin günümüzde şarkı sözü türünde yazılmış „Mephisto“ adlı müzik eseridir. Metin odaklı bu incelemede Goethe’nin eserinin günümüzde modern anlatımcılık söylemlerinde hala bir referans olarak kullanıldığı gösterilmektedir.

Keywords

Abstract

In this study, the term intermediality, together with the term intertextuality, should serve as a theoretical model for analyzing two diverse texts or types of text from the fields of literature and music on the basis of their medial transmission. The intention is to determine the mutual effects of literature and music on the basis of diachronic text which are to be semantized with one another in the first instance. In addition, it should be stated that the term intermediality, which comes from the corpus of media studies, also makes a notable contribution to new discourses within the recalibration of the subject of German studies in the 21st century. On the basis of theories of intermediality and intertextuality, the following central questions are to be dealt with in the present work: - What is the intermedial relationship between literature and music? What are the similarities or differences between the writing systems of literature and music? Which stylistic devices play a role in the media transformation? At the level of these questions, two texts from different epochs and art genres are used as objects of investigation; Johann Wolfgang Goethe and his great work "Faust" (19th century) and the German-speaking rapper Bushido and his lyrics "Mephisto" (21st century).

 

Keywords


  • Man geht davon aus, dass die Geschichte der “medialen Transformation” auf die Erfindung der Schrift zurückgeht (Meier, 1995). Nach Weber sind mediale Transformationspraxen entweder „a) auf einen zeitlich befristeten Zeitraum hinangelegt, b) haben transitorischen Charakter, sind also ein Übergang zu etwas anderem oder c) sie verändern fortlaufend nicht nur Inhalte, sondern auch ihre (technischen, ökonomischen oder auch ästhetischen) Nutzungsstrukturen“ (2011: 34). In der Wissenschaft wurde dieses Phänomen jedoch ab den 70er Jahren thematisiert. Mit der Gründung der akademischen Disziplin der Medienwissenschaft in den 1980ern, erlebt die Intermedialität einen rasanten Aufstieg. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lösen sie auch im Bereich der Literaturwissenschaft verschiedene Diskussionen aus.

  • “Mephisto” Monologizität‘. In der Monologizität handelt es sich um monologische und einheitliche Rede und Sprache. Die Dialogizität hingegen beinhaltet Rede- und Sprachvielfältigkeiten wie Soziolekte, Idiolekte und Dialekte. Da seine Theorie sich auf einen einzelnen Text oder Dialog konzentriert, ist bei Bachtin von einer intratextuellen Annäherung zu berichten. Die Bachtin-Rezeption von Kristeva konzentriert sich demgegenüber auf das „textuelle Zusammenspiel“ (1971: 255) von schriftlichen Zeugnissen. Eine Annäherung an den Begriff “Intermedialität” scheint vor der Vertiefung der zu analysierenden Bereiche “Musik und Literatur” unumgänglich zu sein. Während der Begriff “Intermedia” bis ins Jahr 1812 zurückverfolgbar ist (Glesner, 2003: 42), wurde der Terminus “Intermedialität” zum ersten Mal im Jahr 1983 von Hansen-Löve verwendet und soll “der immer offenkundigeren Tatsache, dass Medien nicht für sich alleine bestehen, sondern immer schon in komplexen medialen Konfigurationen stehen und dadurch stets auf andere Medien bezogen sind” (Schröter, 1988: 129) Rechnung tragen. Kayaoğlu (2009: 9), der den Begriff der Intermedialität in die türkische akademische Landschaft eingeführt hat, bewertet die Intermedialität als eine ästhetischkritische Methodik, womit sich Diskurse und Interdiskurse erarbeiten lassen. Nach Kayaoğlu handelt es sich bei der Intermedialität um einen Ansatz, womit Schriftsteller und Künstler die Interaktion zwischen Medien nutzen. Die Intermedialität bezeichnet er im weitesten Sinne damit, dass in einem künstlerischen Produkt mindestens zwei unterschiedliche Ausdrücke oder Konventionsmedien erkennbar und nachweisbar vorhanden sind (Kayaoğlu, 2009: 9). Irina O. Rajewsky zählt zu den Pionieren des Wissenschaftsbereichs der Intermedialität. Rajewsky bezeichnet diesen Zweig als die “Gesamtheit aller Mediengrenzen überschreitenden Phänomene” (2002: 12). Rajewsky unterscheidet zwischen den Phänomenen Medienkombination, Medienwechsel und intermediale Bezüge. Unter Medienkombination ist die Verbindung Minimum zweier Medien gemeint, wie z.B. die Verbindung zwischen Literatur und Musik. In der Medienwissenschaft wird dieser Bereich auch durch Begriffe wie Multimedialität oder Polymedialität markiert (ebd., S.15). Beim Begriff Medienwechsel handelt es sich um die Umsetzung eines Inhaltes, Symbols oder Produktes von einem zum jeweils anderen Medium. Gess definiert den Medienwechsel auch als die “Übertragung von Thema, Handlung oder argumentativer Struktur eines Textes von einem Medium mit seinen spezifischen medialen Voraussetzungen und Bedingungen in ein anderes Medium” (2016: 6). Der von Rajewsky (2003: 22) so bezeichnete intermediale Bezug beschreibt ein Medium, das sich bei der Verlinkung auf ein weiteres Medium auch auf ein bestimmtes Produkt oder auf bestimmte Subsysteme anlehnt. Die Beteiligungen der Medien im Rahmen der Medientransformationen sind mit keiner bestimmten Anzahl einzugrenzen. Es kann sich um zwei aber auch mehrere Medien handeln. Wir werden uns in dieser Arbeit auf bi-mediale Schnittstellen fokussieren, genauer, auf Verbindungen zwischen der Literatur und der Musik. Der Name Goethe und sein Klassiker, das Faust-Werk sind inzwischen Universalien, was hier keiner weiteren Erklärung bedarf. Die Musik, die wir in Verbindung mit dem Goethe Werk behandeln möchten, gehört zur Genre Rap-Musik. Rap ist ein Musikgenre, die vorerst in den 70er Jahren in den USA massive Aufmerksamkeit erheischt hat. Von seiner Struktur her handelt es sich um einen Art rhythmischen und fortlaufenden Sprechgesang. Es ist hier aus literaturwissenschaftlicher Sicht zu bemerken, dass das Genre Rap sich wie vorgesungene Poesie anhört, jedoch aber im Gegensatz zu literarischen Gedichten sehr oft Themen wie Gewalt oder Sozialpolitik beinhaltet, die durch eine Mischung von Alltagssprache, Fremdsprache, Jargon, Dialekt, Soziolekt und/oder Slang vertextet sind. Heutzutage finden sich für diese Musikrichtung auch andere Bezeichnungen wie ‚Hip-Hop‘, ‚Gangsta Rap‘ oder ‚spoken poetry‘. Da es sich um eine stark textzentrierte Musik handelt, tauchen in diesem Genre auch weitere Wortschöpfungen wie „Dissen“ oder „Battlen“ auf. Angesichts dessen, das es sich in Bushidos Mephistopheles um einen “Diss-Track” handelt, sollte dieser Begriff hier kurz erläutert werden. “Dissen” ist ein Verb, das in der Jugendsprache verwendet wird und als ein Jargon-Ausdruck im Duden verzeichnet ist. Es wird vom englischen Verb “to diss” abgeleitet und bedeutet so viel wie herabsetzen und beschimpfen. Das “Dissen” ist also ein Stilmittel womit sich Rapper durch eine Art verbaler Schusswechsel gegenseitig kritisieren, was eventuell mit der literaturtheoretischen Gattung Spottschrift oder mit neuerer Bezeichnung der Satire vergleichbar sein könnte. Es ist auch mit den postmodernen literarischen Wettbewerben, die unter dem Titel ‚Poetry-Slams‘ durchgeführt werden, vergleichbar. Der Unterschied würde hierbei auf der Ebene der Kontexte und der Wortwahl liegen, wobei Hip-Hop als der exzessivere ‚Dichterwettstreit‘ eingestuft werden könnte. Ein stets vorhandener Aspekt der Intermedialität ist das hierarchische Verhältnis der Medien zueinander. Ein Medium ist immer dominanter als das Andere und wird als beherrschend definiert. Rajewsky unterscheidet hierbei zwischen “Kontakt gebendem” und “Kontakt nehmendem” Medium (2002: 17). In unserem Beispiel ist die Literatur das Kontakt gebende Medium, dessen Inhalte in Bushidos Rap-Text aufgenommen werden. 1. Zur Intermedialität zwischen Literatur und Musik Die intermediale Beziehung zwischen der Literatur und der Musik ist auf eine lange Vergangenheit zurückzuführen. Goethes Tonlehre und Herders musiktheoretische Überlegungen könnten dazu als entsprechende Verweise dienen (Schanze, 2009: 34). Auch Thomas Mann äußerte sich in seinem Werk über die Zugehörigkeit der Musik und der Literatur. Er legt eine Unmöglichkeit der Trennung dieser beiden Zweige dar: „Aber die Musik und Sprache […] gehörten zusammen, sie seien im Grunde eins, die Sprache Musik, die Musik eine Sprache, und getrennt berufe immer das eine sich auf das andere, ahme das andere nach, bediene sich der Mittel des anderen, gebe immer das eine sich als das Substitut des anderen zu verstehen (Mann, 2004: 329) “. Steven Paul Scher (1984: 103) hat eine bedeutende Typologisierung der Relation der Medien Musik und der Literatur erstellt, worin er eine Unterteilung in drei Instanzen macht: Musik und Literatur, Musik in Literatur und Literatur in Musik. Die erste Instanz beinhaltet die Kombination zwischen Musik und Literatur, die Adäquat zum Phänomen der Medienkombination von Rajewsky erscheint (2002: 12). Der zweite Typ „Die Musik in der Literatur“ lehnt sich an Textstellen aus literarischen Werken in denen Gesänge vorkommen an. Unser Ansatz der intermedialen Relation zwischen Literatur und Musik basiert auf dem dritten Standpunkt, auf dem der Literatur in der Musik. Die Literatur ist sehr oft Gegenstand musikalischer Deskription. Bei einer intermedialen Analyse der Musik und der Literatur, geht es um inhaltliche Formen, die in beiden Medien präsent sind. Im Zentrum der Praxis der Arbeit stehen somit die gemeinsamen Aspekte der Faust-Tragödie und des exemplarischen Liedes. Sowohl die Literatur als auch die Musik, tragen in diesem Fall zum Kunstwerk bei. Da die Musik nur eine “schwach definierte Semantik” (Sayed, 2013: 52) besitzt, übernimmt das literarische Material eine nicht unwesentliche Rolle, die Ekphrasis dient hierbei als Material für dessen Füllung. Dieser Prozess wird auch als “Semantisierung von Musik” (Amtstätter, 2003: 109-114) definiert. Zu dem hier untersuchten Beispiel ist zu sagen, dass Bushido durch den Stoff des FaustRomans, der in seinem Lied dargestellten Situation einen neuen Sinn gibt. Das Lied würde weniger interessant wirken, wenn der Künstler ohne irgendwelche Mittel den Inhalt nicht bereichern würde. Doch mit der Übernahme und Einführung des Faust-Stoffes steigert das Lied sozusagen seine Relevanz. Würde es keine Anlehnung an den Faust-Stoff geben, wäre auch in wissenschaftlicher Hinsicht der musikalische Text nicht zu einem Untersuchungsgegenstand erhoben. Die Bedeutung und der Wert der ‚Tragödie‘ bzw. des Tragischen stärkt die Semantik des Liedes.

  • Anis Mohamed Youssef Ferchichi, bekannt unter seinem Künstlernamen „Bushido“1, ist zweifellos einer der berühmtesten aber auch umstrittensten Rapper in der deutschsprachigen Hip-Hop Szene. Der Rapper Bushido besitzt seit 2004 sein eigenes Platten-Label namens „Ersguterjunge“. Er nahm wichtige Künstler unter Vertrag, aber bei jedem dieser kam es immer wieder zu einer Trennung durch diverse Auseinandersetzungen. Bei jeder dieser Trennungen wurde die arabische Großfamilie "Abou-Chaker" und der Anführer dieser Familie "Arafat Abou-Chaker" von den Medien als Grund für die Trennung angegeben (Heine und Fröhlich, 2019; https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/capital-bra-erpresst-clans-bedrohen-rapperberliner-staatsanwaltschaft-ermittelt/25253082.html, 2019). Hierbei handelt es sich um den ehemaligen treuesten Gefährten Bushidos.

  • Arafat Abou-Chaker ist 1976 in Berlin geboren und ist ein Mitglied der palästinensisch stämmigen Großfamilie „Abou-Chaker“. Die Abou-Chaker Familie wird von der deutschen Polizei als eine Großfamilien-Clan definiert, die in Berlin bis zu 300 Mitglieder haben soll. Arafat gilt als Führungsfigur des Clans (Heise und Meyer-Heuer, 2020). Bushido lernte Arafat schon vor seinem Ruhm kennen. Als er in Berlin in Konflikt mit einer Platten-Firma geriet, bei der er einen Vertrag unterschrieben hatte aber nicht bezahlt wurde, wandte er sich an Arafat, der schon damals in Berlin einen großen Namen hatte und dieses Problem für Bushido löste. So fing eine enge Freundschaft zwischen den beiden an, was dazu führte, dass Arafat der Manager von Bushido wurde (Bushido, 2008: 64).

  • Im März 2018 kam es erstaunlicherweise zum Bruch zwischen den beiden. Mit der Unterstützung seiner Frau Anna-Maria Ferchichi ging Bushido auf Abstand zu Arafat, dem er zuvor sogar eine Generalvollmacht ausgestellt habe. In einem Interview stellte der Rapper Arafat als „Abzocker, Heuchler und Reaktionär“ (Fröhlich, 2019) dar. Die Abou-Chakers wurden angeklagt, sie sollen Bushido eingesperrt und erpresst haben (Kalaene, 2019). Im Zuge dessen wurde Arafat wegen gefährlicher Körperverletzung von der Polizei in Berlin verhaftet. Ein weiterer Anklagepunkt bestand darin, dass Bushido mit der Entführung seiner Familie bedroht worden sei (Wissmann, 2019). Bis heute noch steht Bushido unter dem Schutz des Landeskriminalamts.

  • In diesem Konflikt tritt auch seine Frau Anna-Maria in den Vordergrund und trägt hierbei sogar eine wesentliche Rolle. Die Ehefrau wollte nicht, dass sich ihr Mann weiter von diesen Personen finanziell hintergehen lässt und den Verdienst seiner Musik mit ihnen teilt. In einem Interview berichtet sie: „Als ich jedenfalls meinen Mann danach so gesehen habe, bin ich geplatzt. Ich beleidigte Arafat in einer Mail ganz fürchterlich. Da wollte ich eigentlich direkt auspacken und ihn in den Knast bringen“ (Tartaglia, 2018). Nach diesem Vorfall kam für Bushido ein Bruch zustande, aus der die künstlerische Abrechnung mit seinem ‚Feind‘ entstand. Er veröffentlichte einen Diss-Track, den er „Mephisto“2 nannte, der Teufel in Goethes Kunstwerk ‚Faust‘. 1 Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet der Weg des Kriegers (Welt der Samurai, 2013). 2 Der Track “Mephisto” ist eines der fünfzehn Lieder aus dem am 28.September.2018 über Bushidos Platten-Label “Ersguterjunge” erschienenen Soloalbum “Mythos”.

  • Pompe (2017: 1) führt eine weitere Unterteilung der Typologisierung von Scher (1984: 3) vor. Seinem Ansatz nach können drei Arten von Verbindungen zwischen Literatur und Musik konstituiert werden. In der ersten Relationsart geht es um “gegenseitige Auswirkungen” (Scher, (1984: 3), darum wie literarische Werke die Entstehung musikalischer Werke inspiriert haben oder umgekehrt. Die Inspiration in Bushidos “Mephisto” basiert auf dem Inhalt des Faust-Stoffs. Die Figur Mephistopheles ist der Teufel in der Tragödie. Bushidos poetisches Textwerk ist im Sinne einer rednerischen Auseinandersetzung mit seinem Feind (Arafat) zu verstehen, worin das Faustsche Teufel-Gleichnis erscheint und daraus zu erkennen ist, dass das Erzählte an den Stoff des literarischen Werkes angelehnt ist. Bushidos Text beginnt mit einer Art biografisch-chronologischen Aufzählung der Ereignisse, um dem Hörer verständlich zu machen, wie es zum Bruch gekommen ist. Seine erste Begegnung mit Arafat wird im Bushido-Text der ersten Begegnung zwischen Faust und Mephistopheles gleichgesetzt. “Die Schatten wurden größer, Lichtblicke rar. Der Raum wurde kalt, als Mephisto ihn sah” (Bushido, 2018). Eine weitere Textstelle des Liedes reflektiert wieder die Relation die Bushido zwischen Arafat und Mephistopheles aufbaut: ”Und da verlor Mephisto den Schrecken alter Tage, Krallen einer Ratte, schwarze Flügel wie ein Rabe. Seine Maske fiel, so sah man seine wahre Gestalt, er war ein Monster aus Feuer, doch sein Atem war kalt“ (Bushido, 2018). Mit teuflischen Zügen analogisierend stellt der Künstler Bushido seinen Feind dar. Ähnlicherweise wird Fausts erste Begegnung mit Mephistopheles von Goethe wie folgt beschrieben: „Er fasst das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus. Es zuckt eine rötliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme“ (Goethe, 2000: 16).

  • Die zweite Verbindung ist “die materielle Relationsart“, die nach Pompe (2017: 3) als die betonte Musikalisierung der Literatur bezeichnet wird. Der Text wird in dieser Relationsart als klangliches Material der Komposition akzeptiert. Diese Relation ist in unserem Text nicht vorhanden, die Zeilen des Faust-Textes werden nicht übernommen.

  • Die letzte Relationsart ist die inhaltliche Seite zu übernehmen (Pompe, 2017: 3). Hierbei handelt 3 Als Beispiel kann hierfür sein Lied „Stress ohne Grund“ genannt werden, in dem der Musiker verschiedene Politikernamen in seine Verse einbringt: „Und ich will, dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt“ heißt es in diesem Lied, worauf natürlich eine Anzeige folgte. Auch Claudia Roth bekam etwas ab, in dem Lied betonte Bushido „Ich schieß auf Claudia Roth und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz“. Mordaufrufe gegen aktive Politiker sollten eigentlich ihre Konsequenzen tragen, taten es aber nicht. In seiner Aussage äußerte Bushido, dass das Mittel seien die einem Rapper zur Verfügung stehen, es sei nur metaphorisch gemeint. „Ich schieße nur mit Wörtern“ hieß es in einem Interview und ihm wurden auch keinerlei Strafen gegenübergestellt. es sich um den Transfer von Stoffen und Themen aus anderen Künsten. Es ist festzuhalten, dass beim vorliegenden Untersuchungsgegenstand die erste und die dritte Verbindung gemeinsam auftreten. Die Inspiration des Musikers beim Schreiben dieses Diss-Tracks leitet sich inhaltlich betrachtet vom FaustStoff Goethes ab. Faust hat einen Pakt mit Mephistopheles geschlossen. Dieser Pakt ist das Leitmotiv des Werks. Bushido hat dieses fiktive Motiv narrativ auf sein Bündnis mit Arafat übertragen: „Du kannst haben, was du willst, gib mir einfach die Befehle. Ich will nicht viel von dir, nur am Ende deine Seele“ (Bushido, 2018). Goethes Mephistopheles ging unterdessen im „Prolog im Himmel“ eine Wette mit dem Herren ein. Er möchte Faust sündigen lassen und aus dem rechten Weg bringen, sollte er das schaffen, soll Fausts Seele ihm gehören (Goethe, 2000: 11). Bei einem von Fausts Versuchen, Geister zu beschwören, erschien Mephistopheles vor ihm und bot ihm seine Dienste an, um die Wette mit dem Herren zu gewinnen und Fausts Seele zum eigenen Besitz zu machen. In der Faust-Tragödie wird die Pakt Szene wie folgt dargestellt:

  • (Goethe, 2000: 47) Arafat wurde Bushidos Manager und gemeinsam machten sie durch diesen äquivalenten ‚Deal‘ bedeutende Profite. Während Goethes Mephistopheles für die Ergreifung Fausts Seele darauf intendierte, ihn sündigen zu lassen und seine Seele zu ergreifen, bezweckte Bushidos Mephisto durch den Protagonisten an immer mehr finanzielle Profite zu gelangen. 4. Die Aufschreibesysteme von Musik und Literatur Friedrich Kittler (2003) ist, wenn es um Aufschreibesysteme geht weit mehr als ein Stichwortgeber. Der Medientheoretiker setzt seinen Arbeitsschwerpunkt auf diese Systeme des Aufschreibens und bezeichnet diese in seinem Werk „Aufschreibesysteme. 1800/1900“ als eine technische Einrichtung zum Speichern von Daten (Giesecke, 1998). Nach Previsic unterscheiden sich die Aufschreibesysteme der Musik und Literatur zwischen “Klanglichkeit und Textlichkeit” (2016: 39). Das Speichern der Musik beruht hier auf der Stufe des Instrumentalen und des Gesungenen, also auf klanglicher Ebene. Bei der Literatur dagegen handelt es sich um schriftlich fixierte Texte, das Speichern basiert auf den niedergeschriebenen Inhalt. Unsere Kritik am Ansatz von Previsic liegt darin, dass er die Intertextualität zwischen diesen beiden Zweigen nicht berücksichtigt und eine strikte Unterscheidung darlegt. Bei einer Analyse zwischen der Literatur und Musik auf schriftlicher Ebene, in diesem Fall auf der Ebene der Aufschreibesysteme, sollte die Anwendung der Intertextualität einbezogen werden. Bei der Imitation eines literarischen Werkes auf ein Lied, löst sich die Differenz der Aufschreibesysteme auf. Lieder mit textgeleiteten Notationen ähneln sich literarischen Werken und Bushidos Lied "Mephisto" kann als Beispiel für diese Schlussfolgerung gezeigt werden. Das Weglassen der Klangklichleit und des Versmaßes beim Lesen des Songtextes, führt zu einer Hervorhebung der Beziehung zwischen dem Lied und dem literarischen Text. Hierbei liegt der Unterschied auf der Ebene des Inhaltes. Somit ist festzuhalten, dass das Aufschreibesystem des Musikalischen als ‚Klanglich-Textliches Aufschreibesystem‘ zu definieren ist. Die Intermedialität bringt somit auch den Nachweis, dass das Erzählen nicht nur auf schriftlicher Ebene geschieht. Auch die Musik ist in der Lage narrativ zu verfahren, was auch in dem analysierten Lied der Fall ist. Bushidos Lied ähnelt einer Ballade, die ein Lebensabschnitt darstellt.

  • Imitationen Bei der Analyse der Literatur und der Musik konzentriert man sich auf eine Unterscheidung zwischen „Thematisieren und Imitieren“ (Gess, 2016: 6). Der Mephisto-Song lässt sich nach dem Merkmal der Imitation, welche den Inhalt betrifft, strukturieren. Von einer Imitation der Form ist hierbei nicht zu sprechen, da Versmaß und Reime nicht übereinstimmen. Die Silben des Liedes bestehen überwiegend aus Jamben, während beim Lied kein einheitliches Metrum vorhanden ist. Doch die inhaltliche Anlehnung auf die Faust-Tragödie ist in diesem Fall unübersehbar. Im Falle intermedialen Übergangs von Literatur zu Musik gelangen Figuren oder Ereignisse eines literarischen Werkes in das Lied und repräsentieren dort die im Werk vorhandenen Aspekte auf musikalischer Basis. Die literarischen Paradigmen werden medial Re-produziert. Sie wandeln die Ebene ihrer Darstellung von visueller zu akustischer Abhandlung. In dem autobiographischen Song ist eine „Verflechtung aus Dichtung und Wahrheit“ (Michael, 2015: 137) vorhanden. Die Eigenschaften der fiktiven Figur „Mephistopheles“ werden durch ein reales Individuum imitiert. Goethes Mephistopheles ist der Teufel, dessen dämonischen Eigenschaften von Bushido auf einen realen Menschen übertragen werden. Ein fiktiver Charakter eines dichterischen Werkes wird durch intermediale Transformation mit einer in Wirklichkeit existierenden Person verflechtet. Die erste zu untersuchende Fläche ist die Ebene der Vorgangsbeschreibung im Lied, die der Tragödie ähnelt. Seinen im “Mephisto” dargestellten Lebensabschnitt schildert Bushido in einer vergleichbaren Reihenfolge wie Goethe bei “Faust”. Goethes Mephistotheles und Bushidos Mephisto nähern sich den Protagonisten auf eine ähnliche Weise, die sie überzeugt und die ihnen verspricht, dass ihre Träume durch einen Pakt wahr werden können. In beiden Werken werden Protagonisten durch die Worte des Teufels getäuscht, und infolgedessen stoßen sie auf Widrigkeiten in ihren Leben. Beide verlieben sich und die Liebe ist für Goethe's Faust und Bushidos ‚lyrisches Er‘ ein Wendepunkt. Im Gegensatz zu Faust gibt es in Bushidos Werk ein Happy End, aber dies ist eine inhaltsbezogene Differenz und beeinflusst somit die Erzählfolge nicht. Das erste Beispiel für die Imitationen im Bushido-Text liegt gleich im Titel “Mephisto”, abgekürzt von der Figur “Mephistopheles” aus dem Faust-Werk. Dieser Titel ist ein direkter Verweis, der durch das intermediale Verfahren der Imitation hergestellt ist. Die Intension Bushidos mit der Titelbezeichnung „Mephisto“ basiert auf der Versinnbildlichung des dämonischen Charakters „Mephistopheles“ aus Goethes Faust-Werk. Das bezeugt uns auch dass es nicht nur eine einfache erzählerische Darstellung eines Lebensausschnittes ist, sondern eine hybride Form der Intermedialität. Der als Diss-Track bezeichnete postmoderne Dichterwettstreit vertont/vertextet einen aus der Literatur stammenden Stoff durch Imitation. Gleich zu Beginn des Liedes ist die Analogie zu Goethes Faust-Werk zu sehen. In Goethes Werk handelt es sich um den Wissenschaftler Dr. Heinrich Faust, der seinen vorhandenen Wissensdurst nicht zu stillen fähig ist und auf der Suche nach dem Sinn des Universums ist. Diese Frustration prägt ihn so sehr, dass er sich Mephistopheles, dem Teufel widmet und ein Pakt mit ihm schließt. Faust verkauft seine Seele dem Teufel und dieser soll ihm als Gegenleistung seine Wünsche erfüllen. Wie weiter unten auch zu sehen sein wird, ist auch Bushido von seinem Leben im Ghetto nicht zufrieden und möchte durch seine Laufbahn als Rapper an Ruhm und Geld kommen. In seiner biographischen Entwicklung wird es zu einem Pakt mit Arafat kommen (Bushido, 2008: 28). Goethes Faust ist Doktor und Gelehrter. Allerdings begleitet ihn sein Interesse für Magie durch sein ganzes Leben. Er liest Bücher über Geisterbeschwörungen und versucht mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Der Kontakt und seine Forderungen von Mephistopheles sind also keine Tagträume, sondern als Visionen einzustufen. In Bushidos Lied heißt es wiederum: “Es war seine Vision und kein Tagtraum“ (Bushido, 2018). Auch der Erzähler im Bushido-Text hatte Wünsche und Ziele, weshalb er eine Zusammenarbeit mit Mephisto einging. Die Imitation wird an dieser Stelle auf die gesamte Handlung leitende Ebene der Absicht des Protagonisten vollzogen, worin der aus Nöten eingegangene Pakt mit Arafat reflektiert wird. Während der Protagonist des Bushido-Textes Ruhm will und sich dafür mit Arafat zusammenschließt, geht Faust ein Deal mit dem Geist Mephisto ein. Beide Figuren weisen die Gemeinsamkeiten auf, dass sie sich in ihren Handlungen bewusst sind und einen Pakt mit dem Bösen schließen, um ihre eigenen zu Bedürfnisse stillen. So heißt es folglich im Bushido-Text: „Er hörte, was er sagte, und tötete die Zweifel. Dem Teufel gegenüber, der Engel war zu leise“ (Bushido, 2018). Faust und der Protagonist von Bushido lassen sich beide überreden. Bushidos Protagonist will an hohe Summen von Geld gelangen, seine Mutter war alleinerziehend. Faust will das einsame Leben hinter sich lassen und die Dinge erreichen, für die die Wissenschaft und Natur nicht ausreicht. In diesem Fall sehen wir eine weitere inhaltliche Imitation. Das Gegenstück aus der Faust-Tragödie, in dem Faust den Pakt mit dem Teufel eingeht lautet:

  • (Goethe, 2000: 48) Der schwarze Pudel im Werk Goethes ist der einzige Mitbewohner Fausts. Er lebt in Einsamkeit, ist nicht verheiratet, ab und zu besucht ihn sein Schüler. Ähnlicherweise weist auch der Protagonist am Anfang des Liedes auf sein Leben vor seiner Ehe, in der er keine Freunde an seiner Seite hat und auf sich alleine gestellt ist, hin. Bushido schreibt im Mephisto-Song „[…] der Junge vereinsamt“ (Bushido, 2018) und imitiert somit den Inhalt, welcher darstellt, dass Faust in der Einsamkeit lebt. In der Pakt-Szene erklärt Mephistopheles dass er Faust dienstbar zur Seite stehen werde. Als Gegenleistung soll Faust seine Seele dem Teufel überlassen und ihm dienen (Goethe, 2000: 41). Die Übergabe der Seele ist in der Realität selbstverständlich nicht möglich, Bushido macht an diesem Punkt einen Rückgriff auf diese Faustsche Metaphorik, um das dramatische Element des Moments zu erhöhen. Die Taten und die Art seines Feindes werden mit dem Verlangen nach der Seele des Teufels gleichgesetzt. In der Textstelle „Du kannst haben, was du willst, gib mir einfach die Befehle. Ich will nicht viel von dir, nur am Ende deine Seele“ (Bushido, 2018) wird der Stoff des Paktes des Faustschen Teufels übernommen und auf die Vereinbarungen (Vertrag) des Bushidoschen Protagonisten mit seinem neuen Manager imitiert. Im „Faust“ ist der Spruch ”Verweile doch! Du bist so schön“ (Goethe, 2000: 48) das Siegel der Vereinbarung, welches mit Blut unterzeichnet wird. Im Bushido-Text heißt es „Der Junge überlegte, zu wenig sprach dagegen. Heute weiß er, damals trat der Teufel in sein Leben“ (Bushido, 2018). Die schriftliche Vereinbarung zwischen Mephistopheles und Faust kann mit der ausgehändigten Generalvollmacht zwischen Bushido und seinem Manager gleichgesetzt werden. Die in beiden vollzogenen Aktionen basieren auf eine List, die mit einem Gleichnis zur Sprache gebracht wird: „Mephisto hatte Pläne, der König der Hyänen“ (Bushido, 2018) lautet die Textstelle bei Bushido, was als ein Verweis auf die Hinterlistigkeit des Managers gedeutet werden kann. Auch Faust ist sich der bösen Natur des Teufels bewusst, zögert aber trotzdem nicht, einen Pakt mit ihm einzugehen: „Nein, nein! Der Teufel ist ein Egoist Und tut nicht leicht um Gottes willen Was einem andern nützlich ist. Sprich die Bedingung deutlich aus; Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.“ Nach der eingegangen Vereinbarung wird der weitere Verlauf des erzählten Lebensabschnittes des Protagonisten von Bushido geschildert. „Alles kalkuliert, denn am Ende war´s kein Glück. „Es ging von der Skyline zum Bordstein zurück“ (Bushido, 2018) heißen die Zeilen im weiteren Verlauf des Liedes. Bushido hat in seiner künstlerischen Laufbahn vor allem wegen dem Tod seiner Mutter an einem Niedergang seiner Karriere erlitten. Doch sein Manager war wieder derjenige der ihn auf die Beine bringen wollte, was ihm auch gelang. Nach vielen Abenteuern und Reisen mit Mephistopheles zieht sich Faust in die Natur zurück. Er hat ein schlechtes Gewissen und seine Gedanken über den Teufel sind nicht mehr dieselben, er beschimpft ihn als „Kuppler“ und „Schlange“ (Goethe, 2000: 97). Diese Versenkung und der Rückzug in die Natur ist mit dem Abstieg der Beschreibung „Skyline-Bordstein“ analogisierbar. Der Kontakt zu Gretchen ist der Wendepunkt der Tragödie. Einige Interpreten bewerten Goethes Werk auch auf den Ebenen der Gelehrten- und Gretchentragödie (Schede, 2017: 65-75). Die Ehe Bushidos kann sowohl für das Leben des Künstlers als auch für den Handlungsablauf des Liedes als ein Wendepunkt bezeichnet werden. Somit lässt sich auch eine Parallele zum Aufbau der Dramaturgie des Faust-Textes nachzeichnen. Wie das Drama kann man auch das Lied in zwei Abschnitte unterteilen, die Tragödie des Rappers und die Tragödie der Ehefrau. Bushido imitiert den Stoff der Faust-Tragödie auf seinen Konflikt mit seinem Ex-Manager Arafat und stellt diesen als Mephisto dar. Goethes Mephistopheles war der Auslöser der Gretchen-Tragödie, er hat Faust zum Sündigen gebracht und für die Katastrophe gesorgt. Auch im Bushido-Text ist der Auslöser der ‚Ehefrau-Tragödie‘ Mephisto. „Bis zum ersten Februar, der Junge traf ein Mädchen” (Bushido, 2018) und das „ sie an seiner Seite blieb, endlich etwas Wahres. Zwischen all den Lügen und finsteren Gestalten“ (Bushido, 2018). Erst nach der Bekanntschaft mit Gretchen hat Faust angefangen, die Taten des Teufels zu hinterfragen, Gretchen nimmt einen zentralen und entscheidenden Standpunkt in Fausts Leben ein. Die Gefühle, die sie bei Faust auslöst, führten ihn zur Hinterfragung des Teufels. Faust drückt die Intensität seiner Gefühle für Gretchen wie folgt aus: „Ich bin ihr nah, und wär ich so fern, Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren“ (Goethe, 2000: 97). Auch im Falle des Protagonisten von Bushido beginnt eine neue Ära durch „das Mädchen“, was den Beginn der Distanzierung von seinem Manager einleiten soll. Sowohl Bushidos Mephisto als auch Goethe‘s Mephistopheles gelingt es jedoch ihre Opfer von den Frauen fernzuhalten. „Egal was er versuchte, er versank in Depression´n. Seine ständigen Begleiter waren Geister und Dämon´n“ (Bushido, 2018). Die Figur Faust und Bushidos lyrisches ‚Er‘ gerieten beide in innere und äußere Konflikte. Beide haben einer Frau geschadet und sie im Stich gelassen. Faust leidet infolge dessen an Halluzinationen, Gegenstände und fremde Menschen erscheinen ihm wie Gretchen: „Mephisto, siehst du dort Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen? Sie schiebt sich langsam nur vom Ort, Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen. Ich muss bekennen, dass mir deucht, Dass sie dem guten Gretchen gleicht.“ Mephistopheles befindet sich während dieser depressiven Zeit stets bei Faust und versucht ihn davon abzuhalten, an Gretchen zu denken. Doch auch wenn er ihn in eine Feier in der Walpurgisnacht führt, gelingt es ihm nicht Fausts Gedanken von Gretchen fernzuhalten. Auch der Manager ist immer bei Bushido und will die Nähe des Paares verhindern. Mit folgenden Worten wird diese Handlung im Lied dargestellt: „Er musste sie zurückgewinnen und wusste, was zu tun war. Der Einzige, der das nicht wollte, war sein falscher Bruder. Mephisto wurde zornig, als er davon erfuhr. Er wollte es verhindern, von Gewissen keine Spur. Die Waffen, die er nutzte, waren schrecklich egoistisch. Fassade noch zu wahren, war von jetzt an nicht mehr wichtig“ (Bushido, 2018). Im weiteren Verlauf der Tragödie wird Gretchen schwanger. Auch im Lied wird dieser Inhalt imitiert und auf sein eigenes Leben angepasst, es heißt „Der Junge wurde Vater und nichts blieb mehr beim Alten“ (Bushido, 2018). Gretchen bringt ihr eigenes Kind um, weil es unehelich ist. Der Protagonist im Bushido-Text, der sich – wie auch Goethe‘s Faust – vorerst durch den Einfluss des Teufels von seiner Frau entfernt, wendet sich ihr nach der Schwangerschaft zu und kümmert sich um sie. Auch Faust versucht Gretchen zu retten, doch ihm gelingt es nicht. Der Protagonist Bushidos wird sich bewusst, dass er seine Frau zurückgewinnen muss. Am Ende der Tragödie entscheidet sich auch Faust, Gretchen zu retten und ihr Vertrauen wiederzuerlangen. Mephistopheles versucht das zu verhindern, aber es gelingt ihm nicht. Gemeinsam gehen sie zu den Kerkern, in denen Gretchen eingesperrt ist. Sie freut sich, als sie Faust sieht, wendet sich von ihm jedoch ab als die Mephistopheles sieht. Den Tod akzeptiert sie als etwas ‚Besseres‘ und ‚Höheres‘ als ein Leben in der Anwesenheit des Teufels und wendet sich zu Gott mit dem Gebet: „Dein bin ich, Vater! Rette mich! Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen, Lagert euch umher, mich zu bewahren! Heinrich! Mir graut’s vor dir“ (Goethe, 2000: 135). Hingegen des Scheiterns Fausts gelingt es dem Protagonisten des Liedes die Geliebte zu retten: „Er ließ es darauf ankommen und sprengte seine Ketten. Er hob die Stimme jetzt, um die Familie zu retten“ (Bushido, 2018). 6. Intermedialität auf strukturaler Ebene Neben den bisher erwähnten kontextbezogenen Transfers zwischen den Medien Literatur und Musik, können auch strukturelle Übertragungen deutlich gemacht werden. Somit soll in diesem Unterkapitel der intermediale Übergang, der bisher auf der Ebene der kontextuellen Imitationen von Bushido stattgefunden hat, auch aus der strukturellen Dimension dieses Transfers betrachtet werden. Der Schriftsteller und Kulturtheoretiker Gustav Freytag (1863) unterteilt in seiner theoretischen Schrift „Die Technik des Dramas“ den klassischen Aufbau des Dramas in fünf Akte. Der Dramenpyramide Freytags (1863: 99) entspricht Goethes Faust natürlicherweise, da es aus gattungstheoretischer Sicht sich von seiner Struktur her um ein klassisches Drama handelt. Hier wäre es jedoch interessant aus intermedialer Perspektive die Frage zu stellen, ob die Musik bzw. der BushidoText sich eines anderen Mediums (Drama-Tragödie) Aufbau bedient? Wir möchten versuchen die theoretische Pyramide Freytags auf die in unserer Untersuchung erforschten Medien zu übertragen, um eine Antwort auf die genannte Frage zu finden. Der erste Akt ist die Exposition, die Einführung. Im Goethe Werk beinhaltet dieser Akt die Szene zwischen Gott und den Engeln. Im Weiteren geht es um die Person von Faust, worin dargestellt wird, wofür er strebt, was seine Absicht ist, wo er lebt usw. In Bushidos Lied ist die Einführung eher eine biographische, in der der Erzähler über seinen Lebensraum und seine Lebensumstände und die damit verbundenen Lebensziele und Wünsche berichtet. Im Weiteren kommt es bei Faust und bei Bushido zum Pakt mit dem Teufel. Der zweite Akt ist der ‚Erregende Moment‘. Nach Freytag handelt es sich hier um den Moment „wo in der Seele des Helden ein Gefühl oder Wollen aufsteigt, welches die Veranlassung zu der folgenden Handlung wird“ (Freytag, 1863: 104). Die Weltanschauung von Doktor Faust verändert sich nach dem er Gretchen sieht. Auch Bushido verliebt sich in Anne-Maria. Der erregende Moment ist somit bei beiden an den Frauendiskursen zu erkennen. Im dritten Akt geht es um den Höhepunkt (Peripetie), um das „tragische Moment“ (Freytag, 1863: 88) im Werk. Der Höhepunkt im Faust-Text könnte an die Szene angesetzt werden, in der Faust den Bruder der schwangeren Geliebten ersticht und zum Mörder wird. Diese Szene bringt auch die absolute Trennung zwischen Faust und Gretchen mit sich, was zur seelischen Zwiespalt bei Faust führen und die Katastrophen auslösen wird. Die Tatsache, dass seine Frau schwanger ist, führte zu Bushidos negativen Gedanken über seinen Manager und ist somit als Höhepunkt des Textes zu definieren. Der vierte Akt beinhaltet das retarierende Moment, also den Fall der Handlung. Faust ließ sich auf Mephistopheles ein und entfernte sich von Gretchen. Er litt an Depressionen, sah Halluzinationen. Der Pakt verwandelte sich in einen Zwang, er hatte kein Spaß mehr am Leben. Auch der Bushidos ‚lyrisches Er‘ erlitt diese Depressionen, er ließ sich auf den Manager ein und entfernte sich genau wie Faust auch von der Geliebten die Schwanger war. Im letzten Akt unterscheiden sich die analysierten Werke. Eine Katastrophe im negativen Sinne ist im Bushido-Text nicht vorhanden, es handelt sich bei ihm um einen zweiten Steigerungs-Akt, in der er sich von seinem ‚Mephisto‘ entfernt und seine Frau zurückgewinnt. Im Faust-Werk ist Gretchen verhaftet und wird wegen dem Mord des eigenen Kindes zum Tode verurteilt. Die Rettung gelingt Faust nicht und das ist auch das Ende des Lebens von Gretchen. Fazit Unser Ansatz der intermedialen Relation zwischen Literatur und Musik, basiert gemäß der Scherschen Typologisierung auf die dritte Instanz, die „Literatur in der Musik“. Das exemplarische Lied von Bushido entstand unter einem inspirativen Einfluss der Faust-Tragödie Goethes. In Bushidos Lied handelt es sich um eine unübersehbare Imitation vom Faust-Stoff. Die Imitation der Literatur auf die Musik bringt die Ekphrasis-Poetik Gröner, 2011: 155-156) mit sich. Der Rapper übernimmt den Inhalt auf der Ebene der Imitation und wendet diese mit der Ekphrasis ein, um die Übernahme zu imaginieren. Die Intermedialität im Fall einer Transformation von einem literarischen Werk auf ein Lied, steigert den Stellenwert der Musik und bringt es auf inhaltlicher Basis auf eine höhere Ebene. Pompes Unterteilung der Typologisierung von Scher beruht in erster Linie auf gegenseitige Auswirkungen beider Medien. Die Inspiration in Bushidos „Mephisto“ basiert auf dem Inhalt des Faust-Werkes. Fausts Beziehung und Konflikte mit dem Teufel werden auf Bushidos Leben und seine Auseinandersetzungen mit seinem Manager reflektiert und übernommen. Der zweite Standpunkt fixiert sich auf die materielle Relationsart, die bei unserem Beispiel nicht vorhanden ist. In der letzten Unterteilung von Pompe geht es um inhaltliche Beziehungen, in unserem Fall um den Transfer von Stoffen und Themen aus dem Faust-Werk in das Bushido-Lied. Zusammenfassend ist der Song “Mephisto” als eine gelungene Übernahme des Fauststoffes zu klassifizieren. Der Faust-Stoff wurde professionell übernommen und auf das Leben des Musikers angewandt, die inhaltlichen Übernahmen bezeugen die intermediale Übernahme. LITERATUR Amtstätter, M. E. (2003). Klopstocks Semantisierung des Rhythmus oder die Grenzen der Gedichtvertonung. In Klopstock und die Musik. Jahrbuch 2003 (S. 109-114). Sachsen-Anhalt und Thüringen: Ortus Musikverlag. Bushido. (2008). Bushido. München: Riva Verlag. Bushido. (14. 09 2018). Mephisto. Von Genius: https://genius.com/Bushido-mephisto-lyrics abgerufen Freytag, G. (1863). Die Technik des Dramas. Leipzig: Verlag von S. Hirzel. Fröhlich, A. (07. 10 2019). Der Tagesspiegel. Von https://www.tagesspiegel.de/berlin/anklage-gegen-clan- mitglieder-arafat-abou-chaker-soll-bushido-eingesperrt-haben/25092946.html abgerufen Gess, H. (2016). Literatur & Musik: Zum Profil des Handbuchs. In Handbuch. Literatur & Musik (s. 39). Berlin: De Gruyter (S. 6). Berlin: De Gruyter. Giesecke, M. (1998). Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. 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